Von der Scham zu Hilfe: Wie erreichen wir gewaltbetroffene Männer?

Anne-Marie Gallrein

Fachkonferenz & Netzwerktreffen Männerberatung

Geschlechterreflektierte
Männerarbeit – wirkt, stärkt, spart!

16./17. September 2024  |  Wien

DOKUMENTATION

Inhalt

Bisher nehmen leider noch nicht so viele Männer professionelle Unterstützung und Beratung in Anspruch, wenn sie von Gewalt (im sozialen Nahraum) betroffen sind. Viele scheinen nicht zu wissen, dass es Hilfsangebote für sie gibt. Andere nehmen die bestehenden Angebote nicht als für sie zuständig wahr. In der Arbeitsgruppe wurden individuelle und gesellschaftliche Barrieren thematisiert, die es Männern erschweren, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Anhand von Praxisbeispielen wurde diskutiert, wie Beratungs- und Unterstützungsangebote durch ihre Außendarstellung gewaltbetroffene Männer gezielt ansprechen können. In einer Mischung aus fachlichem Input und gegenseitigem Austausch wurde diskutiert, wie Männer niedrigschwellig erreicht werden können.

Workshopbeschreibung

Der Workshop "Von der Scham zur Hilfe: Wie erreichen wir gewaltbetroffene Männer?" thematisierte die spezifischen Herausforderungen, die betroffene Männer daran hindern, Hilfe zu suchen, und diskutierte Lösungsansätze. Gemeinsam trugen die Teilnehmenden männerspezifische Hindernisse zusammen, die eine Hilfesuche erschweren. So wurden zwei zentrale Mechanismen diskutiert, die Gewalt gegen Männer verbergen: (1) die Normalisierung, welche Gewalterfahrungen als Bestandteil "normaler" männlicher Biografien zu legitimieren versucht und (2) der Mechanismus der Scham, der Gewalterfahrungen verdeckt, die als besonders „unmännlich“ gelten z. B. sexualisierte Gewalt oder Gewalt in Partnerschaften. Auch die männliche Sozialisation, die u. a. das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und das Vermeiden von Schwäche betont, wurde als hinderlich für die Inanspruchnahme von Hilfe identifiziert. Weitere Barrieren sind die geringe öffentliche Wahrnehmung männlicher Gewaltbetroffenheit und das Fehlen spezifischer Schutzangebote.

Im Anschluss an die Problemanalyse wurden Strategien zur gezielten Ansprache von Männern und zur Implementierung entsprechender Beratungsangebote vorgestellt. Dabei wurde deutlich, dass niedrigschwellige, männerspezifische Angebote (mit männerspezifischen Beratungsansätzen) sowie die Sicherstellung von Anonymität entscheidend dafür sein können, dass Männer Unterstützung in Anspruch nehmen. Auch müssen Männer konkret als Zielgruppe des Angebots sichtbar werden (z. B. in Wort- und Bildsprache). Als besonders hilfreich wurden offene Begegnungsräume wie z. B. ein "Männer-Café" diskutiert, die als Brücke zu spezialisierten Hilfsangeboten dienen können.

Der Workshop verdeutlichte die dringende Notwendigkeit, gendersensible Beratungs- und Schutzstrukturen auszubauen, um gewaltbetroffenen Männern den Zugang zu Hilfe zu erleichtern. Die Teilnehmenden tauschten sich über konkrete Schritte aus, um diese Angebote sichtbar zu machen und wirksame Unterstützung zu gewährleisten.

Anne-Marie Gallrein

Anne-Marie Gallrein, Dr.in, Psychologin, ist Fachreferentin bei der Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz. Sie gestaltet Fortbildungen und berät Akteur*innen im Bereich Männer und häusliche Gewalt. Außerdem zerlegt sie leidenschaftlich gern Genderstereotype. Ihr Ziel: Den Männergewaltschutz nicht den Antifeministen zu überlassen.