Das Bildungsniveau nimmt insgesamt zu, aber manche Gruppen von Burschen – besonders aus bildungsfernen Schichten und mit Migrationshintergrund – profitieren davon nicht:
Der DMÖ unterstützt Chancengleichheit im Bildungssystem für alle.
Kinder brauchen männliche Rollenvorbilder in den Arbeitsfeldern Bildung und Betreuung:
Der DMÖ setzt sich für einen höheren Männeranteil in Pädagogik, Betreuung und Pflege ein.
Gender ist Teil des schulischen Bildungsauftrags:
Der DMÖ setzt sich für Workshops, Lernstrategien und –materialien ein, welche Geschlechterrollen kritisch beleuchten und so die Handlungsspielräume von Burschen wie Mädchen vielfältig zu erweitern helfen.
Lebenskompetenz ist mehr als eine Frage des Fleisses:
Der DMÖ setzt sich dafür ein, dass Bildungserfolg neu gedacht wird – um die Kompetenzen aufzugreifen, die Burschen auch außerhalb des Bildungssystems erworben haben.
In den letzten Jahrzehnten kann ein stetiger Anstieg des Bildungsniveaus bei beiden Geschlechtern verzeichnet werden: Das Bildungsniveau von Mädchen und Jungen ist heute so hoch wie nie zuvor. Detaillierte Analyse zeigen, dass der Anstieg bei Mädchen deutlich zügiger voranschreitet als jener von Jungen. Dies ist v.a. darauf zurückzuführen, dass Gleichstellungsmaßnahmen der letzten Jahrzehnte vorwiegend auf die Verbesserung der Bildungschancen von Mädchen und Frauen ausgerichtet waren. Infolge sichtbarer Effekte dieser Reformen (Erhöhung der Bildungsquote bei Frauen) hat sich der Blick mittlerweile verschoben. Bildungsmisserfolge von Jungen stehen nun international im Zentrum der Diskussionen. Seitdem Bildungserfolge mit Resultaten in internationalen Schulleistungstests gleichgesetzt werden, hat sich die (mediale) Rede von „Jungen als Bildungsverlieren“ verstärkt. Dabei werden stark vereinfachende Darstellungen homogener Geschlechtergruppen („die Jungen“) und vereinfachende Kausalitäten (z.B. zwischen schlechten schulischen Leistungen von Jungen und dem Geschlecht der Lehrkräfte oder der vermeintlichen „Feminisierung“ der Schule) bedient. Eine differenzierte Analyse mit einem Fokus auf die Wechselwirkungen von Geschlechterstereotypen im Bildungssystem bleibt oft aus.
Um sie zu verstehen, müssen empirische Befunde zu Geschlechterdisparitäten im Bildungssystem einer detaillierten Betrachtung unterzogen und im Kontext von Erwerbsarbeit diskutiert werden. Dabei gilt es vor allem, die Diversität von Männlichkeiten und damit die Unterschiede in der Gruppe der Jungen/Männer in den Blick zu nehmen. So zeigt sich beispielsweise, dass bei Jungen, die frühzeitig (ohne Abschluss der Sekundarstufe II, bspw. Matura oder Lehrabschluss) aus dem Bildungssystem ausscheiden, vor allem um Jungen mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Schichten handelt. PISA-Ergebnisse weisen auf einen deutlichen Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Hintergrund und schulischen Kompetenzen hin. Qualitative Analysen belegen, dass sich vor allem Jungen aus sozioökonomisch marginalisierten Milieus an Männlichkeitsmustern orientieren, die durch eine Ablehnung intellektuellen Engagements charakterisiert sind, was in weiterer Folge ihren schulischen Erfolg behindert. Bildungsmisserfolg führt in weiterer Folge zu Marginalisierung am Erwerbsarbeitsmarkt, insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Krisen. Und diese prekäre Position wird zum Kreislauf, wenn Kinder prekär beschäftigter Eltern ihre Bildungslaufbahn frühzeitig beenden und in ebensolche Beschäftigungsverhältnisse eintreten.
Aktuelle Studien zeigen allerdings, dass Frauen insgesamt noch stärker als Männer von Marginalisierung am Arbeitsmarkt betroffen sind. Die Erwerbschancen niedrig qualifizierter Personen sinken in Wissensgesellschaften. Dies betrifft Frauen stärker als Männer, aufgrund ihrer immer noch starken Eingebundenheit im familiären Betreuungssystem und aufgrund von strukturellen Ungleichheitsbedingungen am Erwerbsarbeitsmarkt. Die Geschlechtersegregation am Erwerbsarbeitsmarkt, die sich in geschlechtertypischen Bildungswegen abbildet, ist ein weiteres Problem. Häufig wählen Jungen und Mädchen nach wie vor traditionelle Ausbildungen, die in geschlechtertypischen Berufen münden. Diese Berufe bieten Männern zumeist immer noch bessere Rahmenbedingungen. Initiativen wie der Boys’ Day in Österreich arbeiten gezielt daran, die horizontale Geschlechtersegregation zu durchbrechen. Dennoch sind von einzelnen Maßnahmen keine grundlegenden strukturellen Veränderungen zu erwarten. Solange sich an den Arbeitsbedingungen in typischen „Frauenberufen“ nichts ändert, entscheiden sich Jungen, die einen Care-Beruf anstreben, gleichzeitig für ein relativ niedriges Einkommen und einen relativ niedrigen Status im Berufsranking.
Wofür setzt sich der DMÖ ein?
Überlegungen, die auf Geschlechtergerechtigkeit im Bildungssystem ausgerichtet sind, müssen soziostrukturelle Merkmale ernst nehmen, die mit Bildungsunterschieden einhergehen. Eindimensionale Konzepte („die Jungen“) werden den vielfältigen Lebenswirklichkeiten von Jungen nicht gerecht. Es gilt, sich von Konzepten zu verabschieden, die allen Jungen eine gemeinsame Lebenswirklichkeit unterstellen.
Was braucht es, wofür setzt sich der DMÖ ein?
- Diversitätsorientierte geschlechterreflektierende Jungenarbeit in Kooperation mit Mädchenarbeit und Arbeit jenseits bipolarer Geschlechtergrenzen.
- Umfassende Analysen von Lernstrategien und Lernmaterialien, die geschlechterstereotype Haltungen und Erwartungen aufzeigen.
- Ausreichende Schulung von Lehrpersonen, insbesondere zu stereotypen Praktiken im Schul- und Bildungssystem sowie zum Thema „Männlichkeit(en) und Geschlechtergleichstellung“.
- Geschlechterreflektierende Angebote in Bildungseinrichtungen (Fokus „Caring Masculinities“).
- Diskurse in Bildungsinstitutionen, die reflektieren, welche Probleme Jungen haben bzw. welche sie machen (Stärkung der Kooperation von Schule und außerschulischer Arbeit).
- Jungen und junge Männer stärker für die Übernahme von Verantwortung in pädagogischen Institutionen motivieren, damit Kinder Erfahrungen mit männlichen Bezugspersonen machen können.
- Bildungserfolg neu denken, z.B. durch Anerkennung informeller Qualifikationen und Kompetenzen, um benachteiligte Gruppen von Jugendlichen in Ausbildung zu halten.
- Weiterentwicklung von Initiativen zur Erweiterung des Berufswahlspektrums (Boys‘ Day). Fokus: niedrigschwellige Ausbildungsangebote für pädagogische Berufe, Kooperationen der institutionalisierten Jungenarbeit mit AMS/BIZ, mediale Initiativen unter Nutzung wichtiger Kommunikationsmedien unter Jugendlichen.